Fotografie

Mehr als ein Mannequin vor dem Eiffelturm

Mehr als ein Mannequin vor dem Eiffelturm

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Nachdem Museumsbesuche zumindest im Land Sachsenanhalt und damit sowohl im Kunstverein Talstraße in Halle, als auch im Kunstmuseum Moritzburg Halle mit Anmeldung wieder möglich sind, stehe ich für den nächsten Museumsbesuch in der Warteschlange.

Bis dahin versüße ich meine und vor Allem eure Zeit mit einer Retrospektive über die Fotoausstellung Guy Bourdin – Pariser Avantgarde der Nachkriegszeit, die mich nachhaltig inspiriert hat. 2020 war es die letzte Kunstausstellung, die ich besucht habe.

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Der Kunsthistoriker Werner Lippert sagte über Guy Bourdin den provozierenden Satz

„Vor Bourdin war die französische Modefotografie nicht mehr als ein ‚Mannequin vor dem Eiffelturm‘.

Und zweifelsohne: in seinen Werken bricht Bourdin radikal mit allen vorher dagewesenen Konventionen der Mode- und Werbefotografie. Er provoziert und schockiert mit Fotos, deren Orte wie z.B. ein Schlachthof für eine Modestrecke völlig inakzeptabel scheinen. Anstelle des bloßen Bildinhaltes, mit dem er sich nicht zufriedengibt, liefert er mit seiner Fotografie eine Erzählung und vermittelt eine Botschaft, manchmal absurd und manchmal erhaben und oft komplex, aber immer unglaublich komponiert. Es gibt faszinierende Geschichten in Schwarz-Weiß und in Farbe. In Formsprache exzellent studiert wird das beworbene Produkt, die Mode seitdem nicht mehr allein im Mittelpunkt stehen. Stattdessen erhalten wir Erzählungen, deren Phantasie sich in unseren Köpfen weiter ausbreiten kann und uns so jede Menge Stoff bietet, der weit über den Bereich dieses Bildes hinausgeht und das ist zu Bourdins Zeiten neu, ganz neu.

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Teilweise an Surrealismus angelehnt, inspiriert von seinem Kunstvater Man Ray, sind Guy Bourdins Arbeiten in seiner Zeit revolutionär.

Geboren 1928, ist der Glamour seiner Schaffensperiode in den 70er Jahren anzusiedeln, in denen er für fast alle führenden Modehäuser und Magazine arbeitet. Mit seinem Blick, der dem eines Malers und mehr noch Filmregisseurs gleicht, arbeitet er in seiner mehr als 50-jährigen Schaffenszeit für die Vogue, Harper’s Bazaar, Marie Claire u.a. Modezeitschriften sowie Modehäuser wie Chanel, Ungaro und Charles Jourdan. Immer wieder durchzieht sich durch seine Werke Erotik. Gepaart mit geheimnisvollen Aussagen, die in Glamour gepackt sind, schafft er das Neue in der Modefotografie und bietet dem Betrachter jede Menge Überraschende, nicht immer ganz zu enträtselnde Effekte, die berauschend und mysteriös sind. Mit viel Humour durchsetzt begeistert er mit Modekrimis und stellt Sexualität aus einem Blickwinkel dar, der den Betrachter distanziert und auch ironisch mitbetrachtet und seine Haltung teilweise auch als Persiflage mit einbezieht; spannende Aufnahmen mit viel Freigeist, die teilweise absurd und hyperrealistisch anmuten.

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Guy Bourdins Arbeiten sind nicht nur in den renommiertesten Museen der Welt ausgestellt wie dem Londoner Victoria & Albert Museum, im Tokyo Metropolitan Museum of Photography und im Pariser Jeu de Paume, sondern eben ab und zu auch irgendwo um die Ecke, wie 2017 in Hamburg oder letztes Jahr in Halle. Für euch habe ich mit dieser Retrospektive einen schönen Fernsehbericht gefunden und verlinke ihn hier. Mehr findet Fotos zur vergangenen Ausstellung findet ihr auch auf der Webseite des Kunstvereins Talstraße und im Ausstellungskatalog der dort erschienen ist. Damit lässt sich die Zeit in der Warteschlange ganz gut aushalten.

Eure Anna

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Karl Lagerfeld und die Fotografie

Karl Lagerfeld und die Fotografie

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Karl Lagerfeld ist ein Name. Ihm folgt eine Assoziation und diese wird bei vielen Mode und Design sein. Konkret Modebekleidung, Modeentwürfe, Modezeichnungen und Modenschauen, wahrscheinlich auch das Modehaus Chanel, für das Lagerfeld ein lange Zeit Chefdesigner war. Die Fotografie wird nicht so häufig mit ihm in einem Atemzug genannt und doch war er auch Fotograf. Eine herausragende Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg widmet sich dem Fotografen Karl Lagerfeld und zeigt eine Retrospektive, die fasziniert. Wer den Künstler gerne aus dieser Perspektive kennenlernen möchte, ist hier richtig aufgehoben. Lagerfelds nie ruhende Kreativität, die mich zu einem seiner Bewunderer macht, beinhaltete sowohl dieses Feld als auch das des Buchverlages.

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Alles fing einst mit einer Empfehlung an, der Lagerfeld folgte. Eric Pfrunder, der Directeur de l’image Chanel sprach sie aus und empfahl dem jungen Lagerfeld, selbst zu fotografieren, um die Pressemappe für Chanel zu erstellen. Mit stark ausgeprägter Intuition und von je her mit wachem Verstand geprägt, begann Lagerfeld seine künstlerischen Tätigkeiten auch auf dieses Terrain auszuweiten und produzierte bald alle Werbekampagnen, die in seiner Obhut als kreativ Direktor lagen auch hinter der Kamera selbst. Sein Stil, der sich auf die große Inszenierung richtet, beeindruckt genauso wie die große Struktur, dem er unterliegt. Sichtbar wird die Leidenschaft, mit der Lagerfeld auch in diesem Metier arbeitet und enorme künstlerische Ausdruckfähigkeit findet.

Gerhard Steidl, sein Verlegerfreund, der seine Fotografien druckt und auch teilweise veröffentlicht, teilt Lagerfelds leidenschaftliche Aufmerksamkeit und weitere Passion für das Verlagswesen als Profession. Es entsteht eine Zusammenarbeit und eine Verlagsgründung zusammen mit Steidl der Fotobuchverlag Edition 7L und danach das Verlagsprojekt der L.S.D. Verlag für deutschsprachige Literatur, besonders Übersetzungen aus französischer und englischer Sprache. Es erstaunt daher bestimmt auch nicht, dass Lagerfeld, dessen künstlerische Ausdrucksmittel sich unendlich und schier unerschöpflich breit angelegt zeigen auch Opernkostüme entwarf.

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Das Hauptaugenmerk dieser Ausstellung liegt jedoch auf der Fotografie Lagerfelds. Wer ausschließlich Modezeichnungen, Schnitte, ausgestellte Designstücke u.a. in dieser Richtung sucht, wird hier enttäuscht werden. Das Repertoire ist da, aber nicht sehr umfangreich und das Hauptaugenmerk dieser Ausstellung liegt woanders.

Es muss dabei betont werden, dass es die weltweit erste Retrospektive ist, die Lagerfelds freie Arbeiten sowie Arbeiten für wichtige internationale Modezeitschriften zeigt. Vielfältige Interessensgebiete sind dabei neben der Modefotografie und Selbstportrait auch diverse andere: die Ausstellung führt über Portrait, Architektur, Landschaft und Abstraktion, einige davon erstmals öffentlich sichtbar. Diese erste umfassende Werkschau hat mich in ihrer Einzigartigkeit angezogen und ich bin sehr glücklich, sie in meiner Region in Halle / Saale gesehen zu haben. Sie erstreckt sich über alle Ausstellungsflächen des Sonderausstellungsbereiches des Museums, Teil davon genauso ein 18 Meter langes hinterleuchtetes LED-Paneel zu Homers Odyssee sowie Lagerfelds Inszenierung der Geschichte von Daphnis und Chloë.

Nun endlich für alle Modebegeisterten gibt es in der Westbox des Museums einen Parcours der schönsten Modefotos von Karl. Mich hat dieser Raum am meisten begeistert und mehrfach habe ich ihn durchlaufen, um mich von der Aura dieser beeindruckenden Ausstellungsexponate berauschen zu lassen. Die überdimensionalen Transparente mit den berühmtesten Modefotos lassen erahnen wie es sein gewesen mag, sich in Lagerfelds Atelier, auf seinen Modenschauen und im Modehaus Chanel hinter und vor den Kulissen zu befinden. Eine einmalige Kreativitätsaura umgibt diese schwarz-weiß Fotos, die die hohe Kunst des Meisters in jeder Hinsicht zeigen. Wer seine Musen kennt, wird auch einige davon wiedererkennen und in vergangenen Modepassagen schwelgen, die zu Recht weltberühmt geworden sind. Für alle anderen eröffnet sich Lagerfelds Welt, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Fotografische Referenzen seiner Interpretation in der Transformation sind u.a. Oscar Wilde, Lyonel Feininger, Edward Hopper bis zu Fritz Lang und Edward Steichen. Eine Hommage und Retrospektive, die man gesehen haben muss!

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Das Kunstmuseum Moritzburg sollte sie noch bis zum 06.01.2021 zeigen. Zurzeit ist die Ausstellung aufgrund der allgemeinen Corona Lage geschlossen. Ob eine Verlängerung angedacht ist, könnt ihr sicherlich bald auf der Internetseite des Museums einsehen. Bis dahin gibt es die Möglichkeit, Karl Lagerfeld digital auf der Webseite des Kunstmuseums Moritzburg zu erleben. Dort könnt ihr die Ausstellung als 360°-Rundgang zu Hause erleben, eine tolle Möglichkeit, Eindrücke, die ich gesammelt habe, zu teilen.

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